Surfin', Surfin'
23. April 2012, 00:06 (Tofino, Kanada)

Nach der langen und unruhigen Nacht brachen wir um 6.30 Uhr am Morgen auf nach Tofino, einem kleinen Ort auf der anderen Seite von Vancouver Island. Die Fahrt dauerte knapp drei Stunden und führte uns durch die atemberaubende Natur von Kanadas Westen. Nach all dem Weiß des vergangenen halben Jahres begannen wir jedes noch so blass grünende Blatt umso mehr zu schätzen

Eine Art Regenwald am Straßenrand

Die Strecke ist nicht zu kompliziert. Das Gute an kanadischen Straßen ist, dass es nur in der Nähe von größeren Städten Verzweigungen von Straßen gibt. Dazwischen finden sich nur unendlich lange Highways, auf denen Verirrungen so gut wie ausgeschlossen sind. Wird eine Abfahrt aber doch mal übersehen, lässt sich erst nach einer ganzen Weile eine neue Chance oder Wendemöglichkeit finden.

Egal, was das Schild sagt; einfach 10 km/h schneller fahren
Die kanadischen Highways haben, anders wie die weltweit sehr beliebten deutschen Autobahnen, eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 110 km/h. Allerdings bekommen schon Fahrneulinge gelernt, dass egal was auf dem Verkehrszeichen angezeigt wird, sie grundsätzlich ca. zehn km/h schneller fahren können. Kein Polizist würde jemals jemanden dafür anhalten und einen Strafzettel verteilen.

Tofino, ein kleines idyllisches Örtchen am Pazifik

Die Strecke auf der Insel ist Caitlin gefahren, so konnte ich mich noch weiter ausruhen. Bereits gegen zehn Uhr morgens kamen wir in Tofino an. Es nieselte ein wenig und es war recht frisch. Seeklima eben. Als erstes suchten wir uns eine Unterkunft und stießen nach einer Weile am äußersten Zipfel der Stadt auf ein kleines Hostel, dass uns ein Vierbettzimmer als Privatzimmer für drei zu einem fantastischen Preis von $32 pro Person und Nacht verkaufte. Meerblick inklusive. Wir verbrachten zwei Nächte dort.

Um die Mittagszeit klarte der Himmel auf und es wurde regelrecht warm. Wir nutzten diese Gelegenheit, den Ort zu erkunden und fanden uns bald am Strand vom Pazifischen Ozean wieder. Dort tobten wir uns eine ganze Weile aus, genossen die traumhafte Kulisse und das kalte Wasser an den Füßen.

Und weil wir gerade davon nicht genug bekommen konnten, freuten wir uns auf den folgenden Tag - den Tag, an dem wir alle drei zum ersten Mal surfen würden. Ursprünglich stand auch Whale Watching mit auf dem Tagesplan, aber dazu später.

Strand in Tofino (links ein kleines Stück Pazifik)

Wir schliefen ein wenig länger an diesem Morgen als geplant, so dass wir es erst gegen zwölf zum Surfverleih schafften. Das Wetter sah nicht gerade vielversprechend aus, aber wir hofften, dass es wie am Vortag zum Nachmittag hin aufklaren würde.

Wir liehen uns neben drei Boards auch die passenden Neoprenanzüge samt Schuhen, Handschuhen und Kapuzen aus. Wir waren uns nicht sicher, ob sie uns im frostigen Ozean wirklich warm halten würden, aber wir waren erstaunt, wie gut sie dann doch funktionierten.

Ich, Caitlin und Eric in unseren schicken Neoprens

Unsere ersten Gehversuche waren, wie zu erwarten, ziemlich erbärmlich. Das einzige was wir so wirklich beherrschten, war von den Brettern zu fallen, zu kippen oder zu rutschen. Später waren wir dann wenigstens in der Lage, uns bäuchlings auf den Brettern zu halten und später sogar ein paar Sekunden auf ihnen zu hocken. Es dauerte schon eine Weile bis wir auch stehend etwas ähnliches wie richtiges surfen zu Stande bringen konnten.

Ich bei einem der eher gelungenen Versuche

Nach immerhin viereinhalb Stunden hartnäckigem Probieren war unser Surfexkurs zwar nicht mit ruhmreichen, dafür aber respektablen Ergebnissen leider schon wieder vorbei.

Der dritte und letzte Tag in Tofino war geichzeitig der letzte für Caitlin in unserer Runde. Sie musste zurück nach Ontario, wo sie zunächst ihre Familie besuchen und später ihren Job als Tree Planter (Baumpfalnzerin) beginnen würde.

Auch unseren letzten gemeinsamen Tag wollten wir auf dem Wasser verbringen und kauften uns drei Tickets zum Whale Watching auf dem Pazifik. Wir bekamen drei knallrote Overalls, die uns zum einen vor dem Wind und zum anderen vorm Ertrinken retten sollten.

Der Skipper war ein Ureinwaihner Kanadas, ein sogenannter First Nations. Wir Westler glauben ja gern, dass sie besondere Kontakte zu höheren Mächten pflegen, also hofften wir auf zahlreiche Walsichtungen. Der Ozean war an diesem Morgen ziemlich rau und die Wellen dementsprechend meterhoch.

Aus einem Meter Höhe plauzten wir auf das betonharte Wasser auf
Wir saßen zu acht in einem kleinen Boot und ich hätte nicht gedacht, dass das Manövrieren auf dem Wasser so herausfordernd sein könnte. Mehrmals, wenn wir eine Welle überfuhren, deren Höhe man vorher nicht abschätzen konnte, sog uns die Welle buchstäblich das Wasser unter den Füßen weg und wir plauzten aus vielleicht einem Meter Höhe erbarmungslos auf das betonharte Wasser. Unglaublich, welche Kraft und welchen Widerstand Wasser haben kann.

Wir fuhren ca. eineinhalb Stunden aufs offene Meer hinaus ohne einen einzigen Wal zu entdecken. Zunehmend war es auch eher mein Magen, der meine volle Aufmerksamkeit forderte. Ich fühlte mich flau, aber nicht schlecht. Ich hielt tapfer Ausschau nach Flossen oder den typischen Wasserfontainen, doch niemand von uns sah auch nur eine. Ich glaube an diesem Punkt schwante langsam auch unserem Skipper, dass wir wohl an diesem Tag keine Wale mehr sehen würden und er uns deshalb als Ersatz zu einer Horde Seelöwen brachte.

Seelöwen, die ich lauthals angrölte

Wir fuhren zu einem Felsen zurück, der nicht weit von der Küste entfernt war. Als Howie, der Skipper, den Motor ausschaltete, sich der frische Fahrtwind legte und das Boot sich beruhigte, rebellierte mein Magen umso mehr und ich übergab mich mit lautem Gegröle vor einem Seelöwenrudel in den Pazifik. Ich hätte diesen Fettleibern so gern erklärt, dass das nichts mit ihnen zu tun hatte.

Den Pazifischen Säurehaushalt ruinierte ich insgesamt viermal
Von jetzt an ging es mir nur noch schlechter. Einen Wal zu sehen war mir längst mehr und mehr egal geworden. Ich wollte nur wieder festen Boden unter den Füßen haben. Ich versuchte mich auf den Horizont zu konzentrieren. Das half ein wenig. Solange wie wir nur fuhren war alles erträglich. Doch jedesmal, wenn der Skipper das Boot stark verlangsamte oder zum Stehen brachte, überkam es mich. Insgesamt ruinierte ich den Pazifischen Säurehaushalt viermal.

Zurück an Land machten wir uns für die Abreise zurück nach Nanaimo fertig, von wo aus Caitlin die Fähre nach Vancouver nehmen würde. Nach einem herzerweichenden Abschied zogen Eric und ich weiter in den Süden. Nächstes Ziel: Victoria.

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