Als ich mich wie Jodie Foster fühlte
26. Januar 2012, 20:18 (Big White, Kanada)

Als ich heute morgen an der Rezeption ein Telefongespräch annahm, hatte ich keine Ahnung, welche lustige Anekdote daraus entstehen würde. Hier die ganze Geschichte.

Ich wählte also die 9 und zwei Einsen
An diesem Morgen an der Rezeption nahm ich ein Telefongespräch entgegen. Die freundliche australische, männliche Stimme bat mich, sie mit Zimmer 118 zu verbinden. Im Prinzip nichts leichter als das. Man wähle die 7, anschließend eine 1, noch eine 1 und als letztes die 8. Aus der Gewohnheit heraus wählte ich anstelle der 7 jedoch die 9, die eigentlich nur dann gewählt wird, wenn eine Verbindung zu einem Anschluss außerhalb des Hotels hergestellt werden soll. Ich wählte also die 9 und danach zwei Einsen. Wer aufmerksam zusammenrechnet, erkennt schnell welche Nummer ich da gerade gewählt hatte: 911. In Kanada sowie in den USA ist diese Zahlenkombination die offizielle Notrufnummer. Aber soweit war mein Verstand noch nicht, wenngleich ich bemerkte, dass ich die falsche Ziffer betätigt hatte. Ich unterbrach also diese Leitung, um es noch einmal mit der richtigen Ziffer zu versuchen. Die freundliche australische Stimme hing währenddessen in der Warteschleife.

Mittlerweile erschien ein Gast an der Rezeption, der aber bereitwillig wartete, bis ich mein Telefonat beendet haben würde.

Nachdem ich die Verbindung zwischen den beiden Herren erfolgreich herstellen konnte und mich aus der Dreierkombo ausklinkte, läutete das Telefon erneut. Den wartenden Gast vertröstend, nahm ich den Anruf an. Eine männliche, wieder freundliche, Stimme meldete sich. Zunächst verstand ich nicht wer sich da meldete, doch dann vernahm ich die Laute RCMP, die sofort meine ganze Aufmerksamkeit auf sich zogen. Kurz zur Erklärung, RCMP steht für Royal Canadian Mountain Police. Bis dahin hatte ich immer noch keine Ahnung, was mein Tippfehler ausgelöst hatte. Hier der darauf folgende Dialog:

Wir haben einen Notruf erhalten, ist alles in Ordnung?
"Hi, hier ist die RCMP in Kelowna. Wir haben soeben einen Notruf von diesem Anschluss erhalten. Ist bei Ihnen alles in Ordnung?"

In der Annahme, dass sich der Officer geirrt haben musste, antwortete ich sorglos: "Oh ja, alles in Ordnung!"

Dann traf es mich wie ein Schlag. Natürlich hatte er sich nicht geirrt. Ich verstand endlich, dass ich unbeabsichtigt einen Notruf abgesetzt hatte. Ich gestand also:

"Ah, ja, verzeihen Sie bitte, aber ich hatte mich vertippt. Ich wollte einen Anruf weiterleiten und habe die falsche Taste gedrückt."

An diesem Punkt hätte ich, ungewollt, eine kleine Katastrophe auslösen können. Er fragte mich zunächst nach meinem Namen. Danach stellte er mir die entscheidende Frage: "Marcel, kannst du frei sprechen?"

Man erinnere sich, da stand immer noch der geduldige Gast am Tresen. Aus mir immer noch unerfindlichen Gründen nahm ich an, der Officer beziehe sich höflicherweise auf ihn, weshalb ich mit den wohl unglücklichsten Worten antwortete: "Äh... Nicht im Moment." Um auch wirklich sicher zu gehen, dass der Gast an der Rezeption so wenig wie möglich von dem Gespräch mitbekam, senkte ich meine Stimme und sprach etwas leiser, was den Officer nur noch misstrauischer machte.

Jetzt fragte er direkt: "Brauchst du Hilfe?"

Erneut versicherte ich ihm, dass alles in Ordnung sei und ich keine Hilfe benötigte.

Jetzt fühlte ich mich wie Jodie Foster
Nachdem er mich noch einmal fragte, ob ich frei sprechen könne, verstand ich, wie er die Frage meinte. Ich erinnerte mich an den Horrorfilm Panic Room, in dem es eine ähnliche Situation gab. In einer Szene vermuten zwei Polizisten, dass in Jodie Fosters Haus, die in eben diesem von Fremden als Geisel gehalten wird, schlimme Dinge vor sich gehen. Damit sich Jodie ihren Geiselnehmern gegenüber nicht verrät, schlagen sie ihr vor, durch Augenzwinkern anzudeuten, dass sie tatsächlich in Gefahr ist. Jetzt fühlte ich mich wie Jodie Foster.

Der RCMP Officer schien mir zu glauben. Ich entschuldigte mich noch einmal und versuchte die Situation durch ein albernes Lachen aufzulockern. Wir beendeten das Gespräch.

Wer sich noch an die Serie Ein Mountie in Chicago besinnen kann, erinnert sich vermutlich auch daran, wie hartnäckig ein kanadischer Gesetzeshüter sein kann. Nach ca. zwanzig Minuten rief mich der RCMP Officer noch einmal an: "Marcel du klangst vorhin etwas zögerlich, als ich dich fragte, ob du frei sprechen kannst. Ist wirklich alles in Ordnung?"

Ich war fast schon gerührt von seiner Fürsorge. Noch einmal schilderte ich ihm, was geschehen war und entschuldigte mich - ich weiß gar nicht mehr zum wievielten Mal - für dieses Missgeschick. Ich erklärte ihm, dass ich deutsch bin und mit einer solchen Frage nicht vertraut sei. Es war ein reines Missverständnis. Jetzt musste auch er lachen.

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